Strömungsabriss ohne Strömung
Idealisierte, überzeichnete Darstellung eines beginnenden Auftriebskollaps (stall) |
Was wir "Strömungsabriss" (engl. stall) nennen, kann man in Deutsch als "Auftriebskollaps" bezeichnen. So ein "Kollaps" passiert nicht rein zufällig sondern ist neben der Profilierung des Flügelquerschnitts im Wesentlichen vom Anstellwinkel und Oberflächengüte abhängig. Dieser passiert bei den meisten Profilen unter ähnlichen Anstellwinkeln (bei gerundeter Nasenleiste ca. 18°, bei einer ebenen Platte ca. 12-15°). In der Praxis sagt man dann, dass zu langsam geflogen wurde. Physikalisch gesehen ist es aber zuerst eine Frage des Anstellwinkels.
Höherer Anstellwinkel (z.B. ziehen am Steuerknüppel) führt zu mehr Auftrieb und Widerstand aber auch zu geringerer Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit kann der Pilot an seinem Instrument ablesen (auch an den Windgeräuschen hörbar), für Ihn ist das die Referenz. Entscheidend ist aber der Winkel gegenüber der Flugbahn. Um das Risiko eines "Kollaps" zu verringern wird daher im Landeanflug bei böigen Bedingungen geraten, etwas schneller (+ halber Spitzenböenwert) anzufliegen.
Anstellwinkelerhöhung bewirkt eine Verschiebung und Intensivierung dieser Druckbereiche nach vorne. Durch weiteres ziehen wird das "Druckpolster" stärker und breitet sich weiter aus. Das "Druckdefizit" nimmt durch den noch stärker abfallenden Profilrücken zu. Was aber wenn man "überzieht", d.h. den Anstellwinkel weiter erhöht?
Spätestens jetzt müssen wir uns die Druckverhältnisse am Profilende ansehen. Die Summen aus Druckenergie und kinetischen Energie (Gesamtdruck) der Flügelhinterkante-Oberseite und der Flügelhinterkante-Unterseite kommen aus dem Gleichgewicht. Während auf der Unterseite die Druckenergie zunimmt, die kinetische Energie aber nahezu gleich bleibt und auf der Oberseite die kinetische Energie (Richtungsvektor nach unten) zunimmt aber die Druckenergie deutlich abnimmt überwiegt jetzt der Gesamtdruck der Profilunterseite, i.B. am Profilende.
Auftriebskollaps (stall) im Strömungstunnel - nicht im realen Flug |
Luft fließt jetzt von hinten um die Profilhinterkante in Flugrichtung, die Druckdifferenz nimmt ab - der Auftriebskollaps (Strömungsabriss) tritt ein. Das ist kein schlagartige Ereignis und auch kein völliger Auftriebszusammenbruch. Das Ereignis kann je nach Profil schlagartig geschehen, kann aber auch etwas schleichend vonstatten gehen, sodass sich der Auftriebseinbruch für den Piloten bemerkbar macht und er bei sofortigem Nachdrücken wieder einen flugfähigen Zustand herstellen kann (siehe Auftriebsdiagramm entsprechender Profile). Aufgeklebte Wollfäden im Stall-Flugversuch zeigen dieses Auffüllen / Zurückfließen.
Die reale Bewegung der verdrängten Luftteilchen könnte man in einer Bilderfolge der einzelnen Luftteilchen zeigen. Alternativ kann man eine farbige Druck-Verteilung darstellen, in die Richtungsvektoren der Luftteilchen (intensität durch Länge der Pfeile) eingezeichnet sind. Auf jedem Richtungspfeil wird mit einem mehr oder weniger großem Kreis der Gesamtdruck (Druckenergie + und kinetische Energie) dargestellt.
Die kontrollierten Stallübungen (aushungern - langsames ziehen am Steuerknüppel bei ausreichender Höhe) sind i.d.R. nicht wirklich gefährlich wenn keine Trudelneigung vorhanden ist. Bei unkontrollierten Stalls tritt der "Kollaps" i.d.R. einseitig auf, ausgelöst durch Anstellwinkelvergrößerung. Verursacht z.B. durch Turbulenzen (mit aufwärts gerichteter Komponente) in Geschwindigkeitsbereichen nahe am unteren Limit oder im langsamen Kurvenflug, i.B. bei Umkehrkurven in den Wind. Unkontrollierte Stalls gilt es grundsätzlich zu vermeiden, sie sind für uns Normalpiloten mit unseren Fluggeräten potentiell lebensgefährlich, wenn wir nicht gerade Kunstflieger sind.
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Auftrieb am Flügelprofil ⇐ | ⇒